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Wegwerfen, Einsammeln, Upcyclen... Wer verdient am Müll?

Wegwerfen, Einsammeln, Upcyclen... Wer verdient am Müll?
Immer mehr Schulen setzen sich mit Müll auseinander, auch mit ihrem eigenen. Oder aber im Kontext von Schulpartnerschaften und im Unterricht bei Umwelt- und sozialen Themen. Giftmülldeponien oder Müllsammelkinder im globalen Süden einerseits und hochtechnisierte Abfallwirtschaft mit Zukunftspotential andererseits gelten als beliebte Beispiele. Viele dieser Beispiele laufen Gefahr, in unangemessener Weise ein einseitiges Bild zu reproduzieren, in dem Leid und Defizite im Süden und Lösungskompetenzen im Norden verortet werden. fernsicht – die südnord-politische Bildungswerkstatt im iz3w – betrachtet den Umgang mit Müll als politisch, ökonomisch und gesellschaftlich organisierten Prozess, der zugleich in globale Wirkketten eingebunden ist. In einem Projekttag wird dies beispielhaft erörtert.

Der Projektag setzt sich in 4 Modulen mit folgenden Fragen aus einer globalen Perspektive auseinander:

  • Wie sind Definitionen von Müll und vom Wert des Mülls gesellschaftlich different und wandelbar (Abfall, Wertstoff usw.)?
  • Welche Stoffströme fließen in welche Richtung?
  • Was sind die menschenrechtlichen Konsequenzen?
  • Welche diversen Formen von Müll nehmen zu und wie und wo werden sie produziert bzw. entsorgt (Hausmüll, Industriemüll, Elektronikschrott, Sondermüll …)
  • Und welche neuen gesellschaftlichen Herausforderungen erwachsen für Abfallwirtschaft und Entsorgung aus dem globalen Müllproblem?
  • Welchen Effekt hat die globale Technisierung des Müllsektors für die lokalen Arbeitsverhältnisse derjenigen, die zu tausenden vom Müllsammeln und Trennen leben?
  • Wie sieht die (Selbst-)Organisierung derjenigen aus, die als marginalisierte soziale Gruppen von der Müllentsorgung leben?

Trash Suche in der ArktisMODUL 1:   Detektive des Mülls

Archäologie des Abfalls und des Abfallrecyclings

Mit dieser Methode begeben sich die TN auf eine Spurensuche: Gesucht wird das, was eine Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt als Müll definierte, als Materie am falschen Ort, als etwas, das die Menschen an verschiedenen Orten der Welt im globalen Norden wie im globalen Süden verwarfen, wegschafften, deponierten, ignorierten, oder auch wiederverwerteten: alles, was als Altlast, Dreck, Emission, Abwasser, Kehricht, Müll, Schlacke, Rest, Schmutz, Schredder, Schrund und Schrott betrachtet wurde und wird. Als Trash, Garbage, Waste und Litter. Zudem geht es um die Wirkungsmacht der Bilder vom Müll aus Ausdruck der Kehrseite einer Konsumgesellschaft, einer urbanen Gesellschaft, einer ruralen im landwirtschaftlichen Milieu lebenden Gesellschaft, einer Industriegesellschaft, einer pastoralen Gesellschaft, einer digitalen Gesellschaft, einer Nachkriegsgesellschaft, einer Slumgesellschaft, einer bürgerlichen Gesellschaft und so weiter.  Der heutige Diskurs über Restmüll, Sondermüll, Abfall, Entsorgung, Re-Cycling und Up-Cycling, über Müllsortierung und Abfallbeseitigung, wird als Ausdruck der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse begriffen.

MODUL  2:  Wohin mit dem Müll? Ein Jahr im Alltag eines  Menschen in Deutschland und im Senegal

 

Unser alltäglicher Abfall: Kulturelle Muster – ökonomische Zusammenhänge – gesellschaftliche Entsorgungsstrategien

Der Umgang mit Müll ist politisch, ökonomisch und gesellschaftlich organisiert und in globale Prozesse eingebunden. Die Debatte über Müll und Konsum wird jedoch vielfach mit einem ausgeprägten Blick auf das  Individuum geführt. Das jährliche Abfallaufkommen pro Kopf ist hier eine häufige und dominante Parabel: hunderte Kilo Papier verbraucht ein Mensch in Deutschland im Durchschnitt, 2 Tonnen Müll fallen im Privathaushalt an. Nicht zuletzt auch in vielen Bildungsmaterialien sind Vergleichszahlen darüber zu finden, wie viel Papier und Plastik, Brot und Brauchwasser wir im Jahr persönlich konsumieren beziehungsweise verwerfen. Diese subjektfixierte Sicht auf die Abfallgesellschaft ist aus Sicht einer Gesellschaftsanalyse verkürzt. Denn nicht allein das persönliche Verhalten oder individuelle Entscheiden bestimmt, wie die Gesellschaft mit dem Aufkommen von Müll umgeht, wie Abfall bewertet wird und wie der Einzelne sich in diesem komplizierten System verhält.

Die individuelle Entscheidung ist begrenzt durch die gesellschaftlichen Optionen, durch kulturelle Muster und ökonomische Handelszusammenhänge, durch gesamtgesellschaftliche Strukturen wie zum Beispiel durch Gestalt und Vorhandensein einer Abfallverwertung und den dazu gehörenden gesetzlichen Rahmenwerken. Die „Politik mit dem Einkaufskorb“, also die konkrete und mögliche Einflussnahme der KonsumentIn auf das Abfallaufkommen, ist ein wichtiger, aber nicht der alles bestimmende Faktor. Innovative Modelle des Recycling und Upcycling sind nicht nur die Ideen einzelner VordenkerInnen, sondern entwickeln sich in einem politischen Raum. So war das Wort Recycling noch in den 1970er Jahren kaum bekannt und hat in Deutschland erst mit der Technik des Papierrecycling überhaupt Eingang in den Diskurs gefunden. Die Wiederverwertung und Weiterverwertung von Materialien in der industriellen Produktion ist nicht das Gleiche wie eine Wieder- und Weiterverwertung im privaten Haushalt. Ob ich eine Batterie ohne das Wissen um die Giftigkeit auf den Kompost werfe oder sie „fachgerecht entsorge“ hängt nicht nur davon ab, was ich über eine Batterie und ihre stoffliche Zusammensetzung weiß, sondern auch, welche Entsorgungsangebote mir gemacht werden: Wer bringt mir bei, was eine Batterie genau ist und wie sie als Abfall in der Umwelt wirkt? Gibt es Sammelstellen und eine industrielle Verwertung? Gibt es Gesetze? Wie verhalten sich meine Mitmenschen? Gibt es Alternativen zum Wegwerfen oder gar Alternativen zur Batterie selber?

Weee manMODUL   3: Die Elektroschrottkette

 

Müll ist in ein komplexes Handelssystem eingebunden, an dem verschiedene Leute verdienen. Das Modul basiert auf der Tatsache, dass wir in Europa immer mehr Elektrogeräte benutzen und diese auch immer schneller bzw. nach kurzer Zeit wegwerfen. Dadurch entsteht jede Menge Elektroschrott, der kompliziert zu recyceln und zu entsorgen ist. Mit aufwändigen Verfahren können viele wertvolle Rohstoffe wieder gewonnen werden. Schwermetalle wie Blei müssen hingegen fachgerecht entsorgt werden. Was theoretisch möglich ist bei der Wiederverwertung von Materialien und was in der Realität davon umgesetzt wird, hängt von rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen ab. Tatsächlich gelangt nicht einmal die Hälfte der Elektroaltgeräte in den offiziellen Recyclingkreislauf. Eine große Anzahl alter Geräte landet illegal auf Müllhalden in Afrika und Asien. Dort führt dieser Elektroschrott zu erheblichen Umwelt- und Gesundheitsschäden.

Wie genau gelangt der Schrott dorthin? Und wer verdient daran? In dieser Methode nehmen die SchülerInnen fiktive Rollen in der Wertschöpfungskette des Elektroschrotts ein – in der legalen wie der illegalen. Sie handeln mit den Geräten und ihren Inhaltsstoffen und vollziehen so die Logik und Verfahrensweise der Wertschöpfungsketten nach. Sie lernen die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe kennen und werden für eigenes Verhalten sensibilisiert.

Modul herunterladen Anleitung und Rollenbeschreibung

Müllsammlerin in NakuruMODUL 4: Arbeitsverhältnisse auf der Müllhalde – Waste Pickers organisieren sich

 

Die ExpertInnen des Müllsortierens und die Waste Pickers Bewegung für die Arbeitsrechte von MüllsammlerInnen weltweit:

In 2 Audiostationen lernen die TN die Verhältnisse der Müllsammler kennen: Zum einen geht es um ihre Arbeit als Teil einer Kette der Abfallwirtschaft, die ohne die MüllsammlerInnen und SortiererInnen nicht existieren könnte. Welche  Menschenrechts- und Arbeitsrechtsverletzungen sind in der Abfallwirtschaft verbreitet? Zum anderen geht es um sowie um die Selbstermächtigung von MüllsammlerInnen und ihren Kampf um Rechte. Die Selbstorganisation von marginalisierten und sozial schwachen Akteuren im globalen Müllgeschehen wirft die Frage nach solidarischem Handeln auf. Wie sieht die (Selbst-)Organisierung derjenigen aus, die als marginalisierte soziale Gruppen von der Müllentsorgung leben?